Wenn wir über klimafreundliche Mobilität in Weißensee sprechen, ist das Thema Verkehr und dabei insbesondere die Hauptverkehrsstraße „Berliner Allee“ kaum zu umgehen. Denn diese zentrale Weißenseer Straße, die früher einmal als „Lebensader“ des Stadtteils bekannt war, ist alles andere als ein Beispiel für eine klimafreundliche Verkehrspolitik.
Rund 30.000 KFZ rollen täglich durch die Straße, die von der Verkehrsbehörde als „transkontinentale Verbindungsstraße“ eingestuft ist, ohne dafür geeignet zu sein. Diese Zahl könnte sogar auf 44.000 ansteigen, wenn es nicht gelingt die Straßenbauvorhaben im Berliner Norden wie Umgehungsstraße Malchow und eine neue Verbindung Karow-B2 zu verhindern!
Es fehlen Radwege auf der Berliner Allee sowie angrenzenden Straßen. Tram-Haltestellen sind an vielen Stellen sehr umständlich zu erreichen und über lange Strecken der Allee fehlen sichere Querungsmöglichkeiten.
Mit Straßen wie der Berliner Allee lässt sich der CO2 Ausstoß in Deutschland nicht um die 60-80% reduzieren, die notwendig wären um das Klima zu stabilisieren. Denn immerhin ein Fünftel der CO2-Emmissionen in Deutschland entfallen auf den Verkehr, davon stammen 84% direkt aus den Auspuffen von Autos, Lastwagen und Motorrädern. Allein auf den zwei Kilometern der Berliner Allee in Weißensee, die am stärksten befahren sind, emittieren PKW und LKW täglich etwa 7 Tonnen Treibhausgas. Eine Verlagerung dieses Verkehrs auf die Schiene und auf‘s Fahrrad würde erhebliche CO2-Einsparungen bewirken.
Doch nicht nur für den Klimaschutz ist die Berliner Allee problematisch. Sie stellt auch ein erhebliches Sicherheitsrisiko für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen dar und der hohe Schadstoffausstoß und Verkehrslärm belasten die Gesundheit der Anwohner*innen.
Für die nächsten Jahre steht die Grundsanierung der Berliner Allee an, doch nur wenn wir unsere Forderungen deutlich an die Politik herantragen, besteht eine Chance, dass sich etwas verändert.
Grund genug aktiv zu werden!
Gemeinsam mit den Intiativen „Aber hallo, Weißensee“ und „KiezGestalten“, dem Frei-Zeit-Haus und engagierten Einzelpersonen riefen wir im Februar 2019 das Bündnis Aktion Berliner Allee ins Leben. Unser erstes Etappenziel: Mit einem großen Aktionstag direkt auf der Berliner Allee auf die katastrophale Situation und die geplanten Straßenbauprojekte aufmerksam machen, um Anwohner*innen für die Verkehrswende zu mobilisieren und unsere Forderungen nach Verbesserungen bei Politik und Verwaltung Nachdruck verschaffen.
In regelmäßigen offenen Orga-Treffen haben wir diskutiert, geplant, uns anhand von fachlichem Inputs und in Workshops über die aktuelle Situation und die zahlreichen Möglichkeiten für eine Verkehrswende in Weißensee informiert und so unsere Kernforderungen für die Verkehrswende Nord-Ost formuliert. Besonders wichtig war uns ein offener Prozess, in dem alle Interessierten jederzeit willkommen waren sich mit ihre Idee und Vorschlägen oder tatkräftiger Unterstützung einzubringen. Ein besonderes Anliegen war uns auch die Wünsche und Bedürfnisse von Kindern mit einzubringen, was wir im Rahmen unseres Malwettbewerbs aber auch vieler Angebote für Kinder und Jugendliche beim Aktionstag realisiert haben.
Es gelang ein breites Büdniss von lokalen Akteuren zusammen zu bringen vom ADFC bis zum Strandbad am Weißensee über den Jugendclub Mahler 20 bis hin zum Dokan Sportclub.
Als Prima Klima in Weißensee brachte wir die uns zur Verfügung stehenden Projektmittel, die Infrastruktur und die personellen Kapazitäten in den Vorbereitungsprozess ein. So konnten wir die Werbung und die vorherigen Durchführung von Informations- und Diskussionsveranstaltungen ebenso unterstützen, wie notwendiges Equipment für den Aktionstag helfen bereit zu stellen. Ebenso wichtig war es jedoch auch das Know-how und die Arbeitszeit unseres Projektteams mit voller Energie in den Planungsprozess einzubringen.
In den letzten zwei Wochen nahm auch das Interesse der Medien an unserer Aktion stark zu und es gab mehrere Artikel in Berliner Zeitungen sowie auf Internet-Portalen und auch einen Fernsehbeitrag beim rbb-Magazin „zibb“.
Am 15. Juni war es endlich so weit. Nach monatelanger Vorbereitung fand der Aktionstag auf der Berliner Allee statt. Mehr als acht Stunden stand der motorisierte Verkehr zwischen Antonplatz und Indira-Gandhi-Straße still und wir informierten, diskutierten, spielten und probierten aus.
So konnten die Anwohner*innen die Berliner Allee fast einen Tag über ohne Verkehrslärm erleben, stattdessen war die Allee an diesem Tag ein Ort zum Aufhalten und entlang Schlendern.
Statt Straßenlärm gab es an diesem Tag Musik und Poetry Slam zu hören sowie Redebeiträge rund um Klimaschutz, Verkehrswende und die Verkehrssituation im Berliner Nordosten.
Fahrräder und E-Rollis konnten ungehindert die Straße entlangfahren, an zahlreichen Ständen (u.a. vom ADFC, den Weißenseer Heimatfreunden und der Initiative zum Erhalt des Malchower Luchs) konnten alle Interessierten sich informieren, diskutieren, ein kühles Getränk oder einen selbst erstrampelten Smoothie vom Smoothie-Bike genießen, sich mit geretteten „foodsharing“-Lebensmitteln versorgen, ein Lastenrad des Verleihnetzwerkes fLotte Probefahren oder beim Baumscheiben bepflanzen mitmachen.
Unterdessen konnten sich die kleinsten Gäste an den vielfältigen Kinderangeboten erfreuen. Vom Riesen-Jenga und Riesen-Mikado, über den Bastelwettbewerb und Kreide-Malen bis hin zum Tretfahrrad zur Seifenblasenproduktion gab es zahlreiche Möglichkeiten, sich die Straße zu erobern.
In fünf Gesprächskreisen kamen über 100 interessierte Anwohner*innen, Expert*innen und Politiker*innen zusammen, um über die Themen „fahrradfreundliches Weißensee“, „Weißensee blüht auf“ oder „Tempo 30 und KFZ-Reduzierung für mehr Sicherheit und Lebensqualität“, „Kinder- und Elternfreundliche Allee“, „ÖPNV“ und „wie wir Bürger*innen-Interessen in die Planung einbringen können“ zu diskutieren. Dabei hat es uns besonders gefreut, dass Vertreter*innen aller Regierungsparteien aus Abgeordnetenhaus und Bezirk und Fachleute aus der Verwaltung ihre Positionen einbrachten und sie zur Diskussion stellten. Mit steigenden Temperaturen auf dem Asphalt entwickelten sich mitunter auch hitzige Gespräche.
Unsere im Vorfeld des Aktionstages publizierten fünf Bausteine für die Verkehrswende Nord-Ost trafen so auf die Konzepte und Ideen der geladenen Fachleute und Politiker*innen und die Meinungen der Anwohner*innen.
Unsere Forderung nach einer Reduzierung des KFZ-Verkehrs und einer Herabstufung der Klassifizierung der Straße, nach einem Neubau mit nur einer KFZ-Spur je Richtung, einem durchgehendem eigenem Gleisbett für die Straßenbahn sowie dem durchgängigen Bau von (meist) geschützten Radwegen trafen auf großes Interesse und vielfache Zustimmung, aber wurden auch gerade von den Politiker*innen kontrovers diskutiert. Auch um die Frage der Kinderfreundlichkeit gab es kontroverse Diskussionen.
Wir werden dran bleiben und jetzt nach dem Aktionstag unsere Forderungen weiter gegenüber der Politik vertreten. Gleich nach den Sommerferien wollen wir an einem Projekttag die Ergebnisse unserer Bemühungen evaluieren, uns austauschen und Perspektiven für das weitere Vorgehen erarbeiten.
Vielen Dank an alle Mitstreitenden unserer Initiative! Der Tag war wichtig, um die Verkehrswende auch in unserem Stadtteil ein Stück voran zu bringen und sich für einen lebenswerten Stadtteil, der nicht im KFZ-Verkehr erstickt, einzusetzen.